Durch den Thurgau pilgern
Früher zogen Pilgernde auf entbehrungsreicher und oft auch gefährlicher Reise von Deutschland über den Bodenseekanton zu klassischen Wallfahrtsorten wie Rom oder Santiago de Compostela. Heute wird gepilgert, um der Alltagshektik zu entfliehen, in der Natur zu sein, zu sich selbst zu finden. Auch mal versuchen? Die überschaubare Strecke «Via Jacobi» im Thurgau bietet einen idealen Einstieg für Neulinge oder Liebhabende. In lieblicher stiller Natur wird auf dem Weg vom Bodensee bis zum Kraftort Kloster Fischingen Pilgerluft geschnuppert. Wer will empfängt im Kloster den Pilgersegen.
Vom Bodensee nach Santiago de Compostela?
Pilgern im Thurgau? Ja, das geht. Von Kreuzlingen am Bodensee bis zum Kloster Fischingen im Tannzapfenland führt die Via Jacobi, wie die Pilgerstrecke genannt wird, einmal quer durch den Bodenseekanton. Unter die Füsse genommen werden die überschaubaren 44 Kilometer in zwei längeren oder besser noch – in drei gemütlichen Etappen auf Route 4. Pilgern für Anfänger, sozusagen. Dank kraftvollem Endziel, dem Benediktinerkloster Fischingen, und sanfter ruhiger Thurgauer Natur ist Pilgern hier nicht weniger besinnlich und für den Einstieg passabel. Santiago de Compostela kommt später.
Der Weg zu sich selbst – und nach Weinfelden
Früher war Pilgern eine enthaltsame Reise in die Fremde, die Erfüllung eines Gelübdes oder eine auferlegte Busse. Heute ist der Weg nicht mehr gefährlich und führt mit etwas Glück wieder näher zu sich selbst. Gestartet wird die Via Jacobi in Kreuzlingen. Der Weg geht hinauf zum Naturschutzgebiet der Bommer Weiher. Blickt man zurück, liegt einem die blaue Weite des Bodensees zu Füssen. Der ruhige Weg über den Seerücken und das stetige Ausschreiten hilft, das Gedankenkarussell anzuhalten. Entlang der Flanke des Ottenbergs erreichen Pilgernde das schmucke Städtchen Weinfelden.
«Früher die Erfüllung eines Gelübdes oder eine auferlegte Busse – heute der Weg zu sich selbst.»
Stopp in Weinfelden und Münchwilen
Wie es der Stadtname vermuten lässt, wird in Weinfelden exzellenter Wein angebaut. Der Gasthof Eisenbahn in der Nähe des Bahnhofs hat eine Vielzahl der edlen Weinfelder Tropfen auf der Karte. Gekocht wird hier aus Thurgauer Produkten, saisonal und ganz schlicht: köstlich. Auch übernachten können müde Pilgernde im Familienbetrieb. Durchs Thurgauer Hinterland geht’s am nächsten Tag weiter nach Münchwilen. Nach rund viereinhalb Stunden Wanderzeit kann hier eine Übernachtung im Hotel Münchwilen eingelegt werden.
Etappenziel: Kloster Fischingen
Am nächsten Morgen geht's weiter auf dem Thurgauer Jakobsweg in Richtung eines der besinnlichsten und entlegendsten Winkels des Thurgaus; ins Tannzapfenland. Nach Münchwilen und Sirnach stehen nur noch verschlafene Dörfchen, Wiesen und Tannenbäume am Wegesrand. Rund zwei Stunden Wanderzeit später, zuhinterst im Tal, in grüner ruhiger Landschaft, erwartet die Pilgernden das Kloster Fischingen. Hier kann sowohl in einfachen Mehrbett-Pilgerunterkünften als auch im Klosterhotel in ehemaligen Mönchszellen mit stilvoller Architektur und klösterlichen Akzenten übernachtet werden.
Der Kraftort zum Schluss
Das Ziel einer Pilgerreise ist der Wallfahrtsort; ein Ort mit hervorgehobener religiöser Bedeutung, ein Heiligtum. Im Thurgau gibt es kaum einen Ort, der diese Beschreibung mehr verdient, als das Kloster Fischingen. Noch heute leben und wirken hier fünf Benediktinermönche. Interessierte nehmen an ihren Gottesdiensten teil und erhalten in der Iddakapelle den Pilgersegen. Auch Meditationen, Führungen durch die wechselvolle Geschichte des Klosters oder Konzerte in der Barocken Bibliothek können besucht werden. Klosterbrauerei und Restaurant verwöhnen mit exzellentem Pilgrim-Bier und hervorragender regionaler Küche. Ein schöner Abschluss einer besinnlichen Reise durch den Thurgau.
Ihre Pilgerreise im Thurgau: Vielleicht so?
Tag 1
- Strecke: Kreuzlingen – Weinfelden
- Sakrale Höhepunkte: Klosterkirche St. Ulrich, Kreuzlingen & Heiligkreuzkapelle Bernrain
- Übernachten: Gasthof Eisenbahn, Weinfelden oder Pilgerunterkunft Märstetten (Pilgerpass nötig)
Tag 2
- Strecke: Weinfelden – Münchwilen
- Sakrale Höhepunkte: Kapelle St. Margaretha, Münchwilen
- Übernachten: Hotel Münchwilen
Tag 3
- Strecke: Münchwilen – Fischingen
- Sakrale Höhepunkte: Kapelle St. Martin, Oberwangen & Kloster Fischingen
- Übernachten: Hotel Kloster Fischingen oder Pilgerunterkunft (Pilgerpass nötig)
«Richtig» und weiter pilgern?
Für Pilgernde, die es noch weiter zieht, führt der Weg nach Fischingen über Einsiedeln bis nach Rom oder Santiago de Compostela ans Grab des heiligen Jakobus. Das weitere Wegnetz inklusive Verzeichnis ausgewiesener einfacher Pilgerunterkünfte sind auf der Website von Camino Europe zu finden. Übrigens: wer regelmässig in Pilgerunterkünften übernachten will, benötigt einen Pilgerpass. Letzter Tipp: um sich als pilgernde Seele erkenntlich zu machen, falls gewünscht, Jakobsmuschel gleich mit bestellen.
Rollstuhl-Pilgerweg zur Schwarzen Madonna
Der Verein «jakobsweg.ch» hat sich für einen «echten» Pilgerweg für Rollstuhlfahrende engagiert. Echt bedeutet, dass der Weg in möglichst engem Kontakt mit bestehenden Jakobswegen verläuft und so angelegt ist, dass die von Jakobspilgernden besonders geschätzten Sehenswürdigkeiten auch dazu gehören.
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