Grenzenlos frei

Er bewegt sich frei, gehorcht keinen Hinweisen und folgt keinen offiziellen Routen, sondern nur seinem Instinkt. Und wenn ihn ein Philosoph* nach dem Sinn des Lebens fragt, dann antwortet er: «Der Sinn des Lebens ist zu schwimmen und Mücken zu fangen.» Armer Fisch, murmelt der Philosoph! Armer Philosoph, wispert der Fisch!

Es kommt vor, dass einmal gesetzte Grenzen nicht mehr in Frage gestellt werden. Wahrscheinlich, weil sie einfach gut sind und weil wir Menschen eben nicht ganz so grenzenlos unterwegs sein können wie die Fische. Der Obersee – der grösste Teil des Bodensees – hat als einziger Ort in der Schweiz keinen festen Grenzverlauf. Und weil die Menschen schon früher gern in fremden Gewässern fischten, war es Zeit, Regeln festzulegen. Am 5. Juli 1893 kam es zur Bregenzer Übereinkunft. Sie stellte sicher, dass wertvolle Fischarten erhalten und vermehrt werden und sich künftig alle an gemeinsame Bedingungen zu Fanggeräten, Maschenweiten und Schonzeiten halten. Der Rhein hat seit damals rund 60 Billionen Liter Wasser in den See getragen. Bis heute wurde die Bregenzer Übereinkunft aber nicht weggespült. Sieben Fischzuchtanlagen rund um den Bodensee bringen den Anteil an Fischen zurück in den See, der aus der eigenen Region gefischt wird. Damit verfolgen sie den gemeinsamen Gedanken einer nachhaltigen Bewirtschaftung.

*Nach Max Black, US-amerikanischer Philosoph

Brot für den Felchen

Der Rhein und andere Fliessgewässer sind ein wichtiges Aufstiegsgebiet für den Felchen. Der Bodensee ist tief, sauerstoffreich, voller Plankton und ein idealer Platz für diesen Brotfisch, der eine wichtige Einnahmequelle für Fischer ist. Rund um den Bodensee helfen Fischzüchter mit, den Bestand zu sichern, indem sie Felchenbabys einsetzen. Ganze 120 Millionen Felcheneier werden jährlich erbrütet, aber nur rund ein Prozent schafft den Sprung in die grenzenlose Freiheit.

Der Bodenseefelchen oder Blaufelchen wird bis zu einem halben Meter lang. Ihm gilt das Hauptinteresse der professionellen Bodenseefischerei, doch die Bestände sind seit der Jahrtausendwende stark rückläufig. Der Felchen ernährt sich von Plankton und findet im immer sauberer werdenden Bodenseewasser zu wenig Nahrung.

Von Fischerdörfern, Päpsten und der Groppenfasnacht

Im 15. Jahrhundert gehörte das ärmliche Fischerdorf Ermatingen zum Bistum von Konstanz und wurde hie und da von geistlichen Würdenträgern besucht. Damals fiel Papst Johannes XXIII. in Ungnade. Er flüchtete als Botenreiter verkleidet aus Konstanz und fand beim Pfarrer in Ermatingen Schutz und eine feine Mahlzeit. Es gab Groppen, einen beliebten Kleinfisch, zum Abendessen. Als Dank für Schutz und Herberge erlaubte es der Papst den Leuten von Ermatingen, noch einmal närrisch zu tun. Die Groppenfasnacht war geboren. Eine andere Legende erzählt, die Groppenfasnacht sei das Frühlingsfest der heimischen Fischer. Der flache Untersee fror früher im Winter zu. Und da das Fischen dann unmöglich war, nahmen die Fischer den Fang der ersten Groppen zum Anlass, ein Frühlingfest zu feiern. Im Mittelpunkt, ähnlich wie beim Sechseläuten in Zürich, steht die Vertreibung des Winters. Wie auch immer. Bis heute feiern die Ermatinger am Lätare-Sonntag, drei Wochen vor Ostern, zu Ehren der Groppe «die letzte Fasnacht der Welt».

Die Groppe ist ein ca. 8 Zentimeter grosser Fluss- und Seefisch mit breitem, froschartigem Kopf und grossen, fast segelförmigen Flossen. Die Groppe wird oft als Indikatorart für gute Wasserqualität betrachtet. Vor allem bauliche Veränderungen der Gewässer haben dazu geführt, dass in den vergangenen Jahrzehnten viele Bestände in ihrer Dichte abgenommen haben.

Die Nasen auf dem Nasenstrich

Einmal im Jahr, genauer gesagt im April, findet beim Waffenplatz ihn Frauenfeld, dort wo die Murg in die Thur mündet, ein sonderbares Naturschauspiel statt. Auf dem Nasenstrich gleiten die Nasen wie ein Soldatenheer den Fluss hoch. Man könnte meinen, jemand hätte sie in Position gesetzt. Ein stilles Schauspiel, das jeden staunen lässt, der dem Ereignis Beachtung schenkt. Ganz besonders ist es auch, weil es Nasen heute nur noch an zwei Orten in der Schweiz gibt. Nämlich im Rhein bei Basel und in der Thur im Thurgau. Früher gab es sie wie Sand am Meer. Man erzählt sich sogar, die Bauern hätten Nasen vor Zeiten mit Rechen aus dem Fluss gefischt und zu eingepflanzten Kartoffeln als Dünger in die Erde gedrückt. Heute ist der Nasenfang verboten. Und der Nasenstrich einen Ausflug wert. Nicht nur Felchen brauchen Schutz, auch die Nasen gehen nur noch geschützt auf den Strich.

Nein, wir haben nicht geschwindelt. Die Wanderung der Nasen heisst tatsächlich «Nasenstrich»! Der gesellig lebende Grundfisch ist in den schnell strömenden Abschnitten der Flussmittelläufe zu Hause, kann sich aber auch an das Leben im stehenden Wasser anpassen. Die Nase existiert nur noch in Restbeständen – sie ist vom Aussterben bedroht.

Aalglatt und glatt am Verschwinden

Der Geruchssinn des Aales ist phänomenal. Dieser ist in der Lage, einen Fingerhut, gefüllt mit Rosenwasser, aus einer 58-fachen Bodenseemenge zu riechen. Ein faszinierendes Geschöpf, das sich von der Karibik aus auf die Reise durch den Atlantik begibt und dann – zum Laichen und Sterben – den Weg zurück nicht scheut.

Aale schwimmen als Larven von der Karibik quer über den Atlantik und verwandeln sich in der Nähe des europäischen Festlands innert 24 Stunden in die typische Aalgestalt. Als Glasaale schwimmen sie weiter zu Flussmündungen und beginnen ihren Aufstieg gegen den Strom. Für zu viele endet die Reise schon jetzt. In Europa werden nämlich mehr Glasaale illegal exportiert als legal gehandelt. Rund 116 Millionen Glasaale im Wert von rund 45 Millionen Euro werden jährlich nach Asien, insbesondere nach China, gebracht, wo sie als teure Delikatessen gehandelt werden. Die weltweiten Aalbestände gehen zurück, Exporte sind verboten. Der Aal ist ein Kämpfer. Die kleinen, zerbrechlich wirkenden Tiere sind in der Lage, Stromschnellen und früher gar den Rheinfall zu überwinden, indem sie flache Rinnsale am Rand ausnutz(t)en. Erst während der langen Wanderung durch die Flüsse bekommt der Aal seine Pigmentierung. Ruhe findet er aber erst in wärmeren, stehenden oder langsam fliessenden Gewässern wie dem Bodensee. Dort lebt er als nachtaktiver Jäger. Irgendwann – niemand weiss wieso – zieht es ihn zurück zu seiner Geburtsstätte. Und er begibt sich auf den langen und gefährlichen Heimweg zurück über den Atlantik, heim in die Sargassosee, wo er laicht und danach stirbt. Aber auch das wissen wir nicht genau. Wissen ist viel. Staunen noch mehr.

Der Europäische Aal kann über einen Meter lang und über 2 Kilogramm schwer werden. Die verbreitete Meinung, Aale seien Aasfresser, ist falsch. Der Europäische Aal frisst nämlich nur frische tote Köderfische, keine stinkenden und verwesten. Da die jungen Glasaale in riesigen Mengen vor den Küsten Europas gefangen werden, sind Aale mittlerweile vom Aussterben bedroht.

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