Der Apfel

Er ist bescheiden. Er ist gewöhnlich und alltäglich. Es gibt Leute, die essen keine Äpfel. Sie schauen auf die Äpfel herab. Ist ja nur ein Apfel. Der Plan B in Obst. Was stellt er schon dar gegen eine Birne, eine Banane oder eine Orange. Dabei können diese Früchtchen ja alle einpacken, wenn es um Geschichten, Legenden, Symbolik und Märchen geht. Da ist der bescheidene Apfel – die Frucht schlechthin – das Mass aller Dinge.

Malum

Wer bibelfest ist – aber wer ist das heute noch – kennt die Geschichte natürlich auswendig. Für alle anderen hier die Schnellversion. Also wir sind im Paradies. Gott warnt Adam und Eva, nicht vom Baum inmitten des Gartens zu essen, um nicht zu sterben. Die Schlange behauptet aber das pure Gegenteil: Wer von diesem Baum esse, werde sein wie Gott und wissen, was gut und was böse ist. Eva ist etwas dumm, glaubt der Schlange und isst von der Frucht. Adam ist keinen Deut schlauer und langt ebenfalls zu. Und was haben die beiden davon? Gott ist etwas enttäuscht, ja vielleicht sogar ein bisschen hässig und bestraft Eva und alle Frauen: «Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären.» Und für Adam und alle Männer gilt seither: «Verflucht sei dein Acker, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang und im Schweisse deines Angesichts sollst du dein Brot essen.» Danke Adam, merci Eva! Das habt ihr ja wirklich super gemacht. Und jetzt noch zum Apfel. Der kommt in der Bibel genauso vor wie Ochs und Esel bei der Weihnachtsgeschichte, nämlich gar nicht. Malum heisst übrigens «der Apfel » auf Lateinisch. Malum heisst aber auch «das Böse».

Im Mittelalter hat man keine nackten Menschen dargestellt. In der Renaissance kam das dann wieder in Mode. Im biblischen Kontext boten sich Adam und Eva an. Und aus der Frucht vom Baum der Erkenntnis hat Albrecht Dürer kurzerhand einen Apfel gemacht.

Schneewittchen

Eine Frau bekennt sich zum Kannibalismus, ein Mann verliebt sich in eine Tote und ein junges Mädchen aus einer WG mit sieben Tiefbauarbeitern, foltert ihre Mutter zu Tode. Das ist Schneewittchen, ein Märchen für Kinder. Wir interessieren uns natürlich primär für die Rolle des Apfels in diesem Märchen. Der Apfel war – nach dem Schnürriemen und dem vergifteten Kamm – der dritte und letzte Streich der verkleideten bösen Königin, um das herzige Schneewittchen märchengerecht zu entsorgen. Und es hat ja fast geklappt, denn wie es bei schönen Äpfeln ist, es ist schwer zu widerstehen. Schneewittchen schaffte es nicht und ass einen Bissen von der vergifteten rotbackigen Seite. Der Rest ist bekannt: Die Zwerge legen sie in ein Aquarium, weil sie so schön ist, damit man sie weiter anhimmeln kann, ein schöner Prinz kommt und der findet sie so wahnsinnig schön, dass er sie kaufen will samt dem Glaskasten, die Zwerge schenken ihm das ganze Bundle. Er lässt den Sarg forttragen, ein Diener stolpert, das Apfelstückchen wandert aus dem Hals. Sie sagt: «Wo bin ich?» Er sagt: «Ich habe dich lieber als alles auf der Welt.» Sie sagte dann nichts mehr. Bei der Traumhochzeit war sogar die böse Königin eingeladen. Ein netter Zug von Schneewittchen. «Und wie sie hineintrat, erkannte sie Schneewittchen, und vor Angst und Schrecken stand sie da und konnte sich nicht regen. Aber es waren schon eiserne Pantoffeln über Kohlenfeuer gestellt und wurden mit Zangen hereingetragen und vor sie hingestellt. Dann musste sie in die rotglühenden Schuhe treten und so lange tanzen, bis sie tot zur Erde fiel.» Und apropos Tanzen, das Video zum Lied «Sonne» von Rammstein hat 119 583 797 Views und handelt von Schneewittchen. Samt Apfel.

In der ersten Fassung von Schneewittchen stolpert der Diener nicht, sondern er ist hässig, dass er dem Prinzen ständig den schweren Sarg hinterher tragen muss. Er öffnet die Kiste und gibt Schneewittchen mit der Hand einen Schlag auf den Rücken. Et voilà, sie lebt!

Der Zankapfel

Bei der Hochzeit von Peleus und Thetis soll die Göttin Eris einen goldenen Apfel mit der Aufschrift «Für die Schönste» (altgriechisch καλλίστῃ kallistē) zwischen die Göttinnen Hera, Athene und Aphrodite geworfen haben, und zwar aus Ärger darüber, dass sie nicht eingeladen war. Weil Zeus sich weigerte, musste Paris entscheiden, wer die Schönste sei. Paris entschied sich für Aphrodite, weil diese ihm im Gegenzug die Liebe von Helena, der schönsten aller irdischen Frauen, versprach. Diese war allerdings bereits mit Menelaos, dem mit Griechenland verbündeten König von Sparta, verheiratet. Paris entführte Helena, was dann bekanntlich zum Trojanischen Krieg führte. Paris wurde im Film Troja übrigens von Orlando Bloom gespielt, welcher in «Herr der Ringe» den Sohn von Thranduil, Legolas, den Elbenprinz aus dem Düsterwald, verkörperte. Aber was hat das mit dem Apfel zu tun? Rein gar nichts.

Apfel mit Schuss

Wer hats erfunden? Wir Schweizer waren es zur Abwechslung mal nicht. Das Motiv vom Apfelschuss kommt in mehreren europäischen Sagen vor. Die älteste davon, eine dänische Sage, ist über zweihundertfünfzig Jahre älter als unser Tell. Das Muster ist jedoch bei allen Sagen dasselbe: Immer muss der Held einen Apfel vom Kopf seines Kindes schiessen und immer hat er noch einen zweiten Pfeil im Köcher, um im Falle eines Fehlschusses denjenigen zu erledigen, der ihm den idiotischen Befehl gegeben hat. In allen Sagen gelingt der Meisterschuss. Auch der tapfere Tell trifft den Apfel mitten ins Gehäuse. Der zweite Pfeil kommt also nicht zum Einsatz, wenigstens nicht sofort. Aber später dann schon. Wilhelm Tell erschiesst Gessler aus dem Hinterhalt und wird darum als Nationalheld verehrt. Aus der Idee des Apfelschusses wurde in den 1960er-Jahren beim ZDF eine populäre Spielshow namens «Der goldene Schuss». Diese Show wurde ab 1967 von Vico Torriani präsentiert. Aber was hat das mit dem Apfel zu tun und wer ist Vico Torriani?

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, sagte ein Vater zu seinem Sohn. Der musste in den sauren Apfel beissen und sich diesen auf den Kopf setzen. Das wäre die Kurzfassung von Wilhelm Tell.

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