Es waren einmal zwei Piraten am Untersee

Wenn ein Kind seinen Eltern zuruft: «Tschüüüüss, ich gehe schnell noch zur Schule!», dann sind die Eltern stolz und denken beruhigt: «Was für ein kluges Kind wir doch haben! Da zeigt sich wieder einmal der Erfolg unserer guten Erziehung!»

Wenn die wüssten, dass ihr Kind in die Piratenschule geht, wären sie wohl nicht mehr so ruhig. Die Piratenschule ist nämlich so ziemlich anders als alle anderen Schulen, die es rund um den Bodensee gibt - und wahrscheinlich sogar weit darüber hinaus! Erstens gibt es in der Piratenschule keine Erwachsenen. Und zweitens auch keine Lehrkräfte. Das heisst aber drittens nicht, dass man in der Piratenschule nichts lernen könnte.

Pirat Zaus ...

Gegründet haben die Schule eine Piratin und ein Pirat. Zaus ist 90 Zentimeter gross, trägt immer ein gestreiftes Leibchen und eine Augenklappe, mal links und mal rechts. Zaus heisst er, weil er immer etwas zerzaust ist. 90 Zentimeter grosse Leute sind meist erst drei Jahre alt. Aber Zaus sei mindestens zehn, behauptet er. Er habe einfach mit drei Jahren beschlossen, nicht weiter zu wachsen. Er will nämlich nie erwachsen werden, sonst könnte er nicht mehr in die Piratenschule.

... und Piratin Huberta

Huberta hat Zaus am Untersee kennen gelernt. Ihm ist vom Schiffssteg ein goldener Ring ins Wasser gefallen. Ein normaler Pirat wäre ins Wasser gesprungen und hätte den Ring vom Seegrund gerettet. Aber Zaus kann nicht schwimmen. Huberta tauchte dann kurz und Zaus hatte seinen Ring wieder. So eine ist Huberta. Die macht vorwärts, wenn es etwas zu tun gibt. Huberta sieht ein bisschen aus wie ein Vogel. Und vielleicht ist sie auch tatsächlich einer. Sie gleicht einer Haubentaucherin. Aber das hindert sie nicht daran, eine echte Piratin zu sein.

Seit der Geschichte mit dem Ring sind sie Freunde geworden. Sie haben gleich die Piratenschule gegründet und sehen sich fast jeden Tag. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist Schätze verstecken, damit andere sie suchen können.

Sie verstecken zuerst Schätze, und dann verstecken sie Hinweise und Rätsel, wo die Schätze versteckt sind. Und dann verstecken sie Hinweise und Rätsel, wo die Hinweise und Rätsel versteckt sind, die zu den Schätzen führen. Und dann verstecken sie Hinweise und Rätsel, wo die Hinweise und Rätsel versteckt sind, wo die Hinweise und Rätsel versteckt sind, die zu den Schätzen führen. Und dann verstecken sie… Was ist? Habt ihr schon keine Geduld mehr weiter zuzuhören? Geduld ist etwas vom Wichtigsten, was man in der Piratenschule übt! Oder mindestens so tun, als ob man geduldig sei und ewig warten könne.

Jetzt wollen natürlich alle wissen, wo diese Piratenschule zu finden ist! Das ist nicht so einfach. Piratinnen und Piraten sind nicht sesshaft. Und so weiss niemand genau, wo die nächste Piratenschule stattfindet. Vielleicht im Seeburgpark in Kreuzlingen?

Übung macht Meisterpiraten

Es gibt zwei Möglichkeiten zu lernen, eine Piratin zu werden: Entweder du gehst an einen Hafen und wartest auf das nächste Piratenschiff. Oder du gehst zur Piratenschule. Der erste Weg ist gefährlich: Wer weiss, ob die Piraten auf dem Piratenschiff nett zu dir sind? Und wenn du ungelernt auf ein Piratenschiff kommst, und du gerätst in einen Sturm, und du weisst gar nicht, was du tun musst?

Vor allem aber gibt es auf so einem zufälligen Piratenschiff zu viele Erwachsene. In der Piratenschule gibt es keine Erwachsenen. Die Kinder sind halt Kinder und behandeln andere Kinder wie Kinder. Da darfst du von Anfang an alles mitmachen. Vor allem aber hat die Piratenschule ein Schiff als Trockenübungsplatz. Im Seeburgpark in Kreuzlingen steht es. Da kann man sich auf Stürme vorbereiten, ohne nass zu werden. Du kannst klettern, Seile und Freundschaften knüpfen, falsch singen und alle andern wichtigen Dinge tun, die man in der Piratenschule lernt.

Piratinnen im Federkleid

Eigentlich ein Wunder, dass das Seemuseum in Kreuzlingen nicht Piratenmuseum heisst. Schiffe, Fische, Taue, Wasser – da fühlt sich die Piratenschule wohl. Hier können die Kinder eine Menge lernen und sich auf ihr Piratenleben vorbereiten.

Eine der Gründerinnen der Piratenschule ist ja Huberta, die immer eine Pfeife im Schnabel trägt. Sie kann fliegen, tauchen und tanzen. Das können andere Haubentaucher auch, aber Huberta kann dazu auch noch sprechen und 200 weitere Dinge, die man nur in der Piratenschule lernen kann. Darum bewundern sie alle in der Piratenschule. Aber auch ihre Verwandtschaft der vielen Haubentaucher rund um den Untersee bewundert sie. Da ist Harald, der hier im Museum wohnt. Oder Hannelore, die auf der Insel Reichenau lebt und die beste Fischköchin weit und breit ist. Oder Hans-Heiri, der Tanzlehrer aus Steckborn und Helena die Schöne aus Mammern. Kennt Ihr noch mehr Haubentaucher? Eines ist klar: Sie haben immer Namen, die mit einem «H» beginnen.

Orientierung am Sternenhimmel

Die Piratenschule ist immer unterwegs, je nachdem, wo sie grad wieder einen Schatz verstecken. Den Eltern sagen sie dann nur: Wir waren heute in der Sternwarte! Und die Eltern denken stolz, dass sie doch ein besonders gescheites Kind haben. Und das stimmt auch! Nur wissen sie nichts von der Piratenschule!

Wenn die Kinder alleine unterwegs sind, müssen sie auch den Heimweg alleine finden. Vor allem im Winter, wenn es früh dunkel wird, helfen die Sterne bei der Orientierung. Dass es Nord, Süd, West und Ost gibt, weiss ja jedes Piratenkind. Aber kannst Du auch den grossen Wagen und Polarstern bestimmen? Dann weisst Du auch gleich, wo Norden ist. Der Rest ist einfach für ein Piratenschulkind. Und wenn es Wolken hat? Oder am Tag? Dann gibt es die Sonne und die Uhr, oder einen Kompass. Aber das ist schon höhere Piratenschule!

Geheimnis der versenkten Schiffe

Wer hat Angst vor Piraten? Klar, Leute die ein Schiff haben, oder zum Beispiel viel Geld mit sich herumtragen. Hier aber ist etwas anders: Die Kinder der Piratenschule sind zwar auch richtige Piraten, aber sie überfallen keine Schiffe, sie rauben nicht wahllos was glänzt und sie trinken auch keinen Rum bis zum Umfallen. Gefährlich sind sie aber trotzdem: Zum Beispiel, falls du gerne Schiffe versenken spielst.

Gegen die Kinder der Piratenschule wirst du immer verlieren! Die kennen Tricks, wie man ohne zu schummeln spürt, wo die andere Seite ihre Schiffe versteckt hat. In der Piratenschule gelernt! Und Pumm, Pamm, Pomm, wird Schiff um Schiff gnadenlos versenkt. Wie sie das machen, ist ein gut gehütetes Geheimnis, das nur in der Piratenschule gelehrt wird. Und in einer Sache sind die Kinder der Piratenschule so, wie alle echten Piraten: Ein Geheimnis wird nie, nie, nie verraten!

Schiff ahoi!

Ein Pirat ohne Schiff wäre wie eine Fussballerin ohne Fussball! Darum hat die Piratenschule auch ein eigenes Schiff – die schwarze Albina. Gut, ehrlich gesagt, ist es eher ein Floss und es hat zwar Segel und ein Steuer, aber es ist kaum zu steuern. Die Kinder wissen nie genau, wo sie hinfahren, wenn sie die schwarze Albina besteigen. Das ist eben noch ein echtes Abenteuer!

Bei den Schiffen der URh wissen alle, Kapitäne und Passagiere, auf die Minute und den Meter genau, wann sie wo hinfahren. Es gibt einen exakten Fahrplan und wehe, der wird nicht eingehalten! Die Kinder der Piratenschule versuchen jetzt von der URh alles zu lernen, damit sie mit ihrer schwarzen Albina mit der Zeit auch präziser und zielgerichteter über das Wasser fahren können. Es muss ja nicht grad ein Fahrplan sein. Aber sie fahren immer wieder bei der URh mit, stellen Fragen und machen sich Notizen. Das ist eben die Piratenschule! Die Kinder lernen alles selbst. Und irgendwann wird dann ein Schiff der URh von der schwarzen Albina überholt und gekapert! Aber keine Angst, das kann noch ein Weilchen dauern.

Schatz vom Arenenberg

Du denkst, auf dem Arenenberg gibt es keine Piratinnen und Piraten, weil er nicht ganz am Wasser liegt, sondern über dem See thront? Kinder gibt es überall! Und wo Kinder sind, ist auch die Piratenschule nicht weit! Die Kinder sehen harmlos aus und alle denken: Die spielen da irgendein Spiel. In Tat und Wahrheit beobachten sie alles unauffällig. Denn die Piratenschule hat erfahren, dass die Kühe hier so viel Milch geben, dass man eine Badewanne mit Schlagrahm füllen könnte. «So viel Schlagrahm essen, bis einem der Bauch weh tut!», träumt Zaus.

Dass Kühe auf dem Arenenberg sind, ist keine Überraschung. Denn es lehrt dort nicht nur die Piratenschule, auch in der Landwirtschaft werden Lernende ausgebildet. Fleissig lernen sie die Arbeit in der Natur, mit den Kühen und Kälbern und mit moderner Technik. Technik, dazu noch moderne, das ist nichts für Huberta. Sie schnappt sich die gute alte Mistgabel. Weil sie so schön sticht. Natürlich nur für den Fall, dass Erwachsene der Piratenschule zu nahe kommen.

Schliesslich soll es auf dem Arenenberg einen Schatz geben. Huberta und Zaus haben diesen versteckt und fest verschlossen. Es gibt aber eine Schatzkarte und eine Fährte aus Hinweisen und Aufgaben, die zum Schatz führt. Also, Augen und Ohren auf, Spürnase geschneuzt, alle Sinne geschärft und los gehts!

Feuer frei!

Piraten sind bekannt dafür, dass sie mit Kanonen und Pistolen schiessen. Die Kinder der Piratenschule sind friedlicher. Sie schiessen höchstens mit Luftballonen oder Fussbällen und es ist nicht, um jemandem weh zu tun, sondern es ist ein Geschicklichkeits-Spiel. Zum Beispiel üben sie sich darin, an einem Seil zu hängen und (weil die Hände dann mit Festhalten beschäftigt sind) mit den Füssen einen Ball in der Luft zu halten. Den Piratenschulrekord hält die Piratin Selva die Wilde mit 237-mal (einen Fussball in der Luft jonglieren).

Tja, wenn die Piratenschule etwas übt, dann richtig! Ein anderes Spiel ist das Zielschiessen – natürlich auch mit einem Fussball. Die Piratenschule könnte jede Fussballmeisterschaft gewinnen – nur gibt es da überall Erwachsene und Schiedsrichter. So etwas kommt in der Piratenschule nicht gut an. Aber auf dem Fussballgolfplatz ist die Piratenschule immer wieder anzutreffen. Zaus schreit in typischer Piratenmanier: «Feuer», und alle Piratenschülerinnen und -schüler schiessen die Bälle präzis ins nächste Loch.

Gute Nacht, lieber Zaus

Das Piratenleben ist anstrengend! Die Piratenschule erst recht: Ständig unterwegs, auf der Suche nach Abenteuern, auf der Flucht vor Erwachsenen, die einen erziehen wollen. Da haben die Piratenschülerinnen manchmal Lust, irgendwo sich in Ruhe hinzulegen und eine Runde zu schlafen. Draussen ist immer die Gefahr, dass es regnet, dass es heiss ist, dass einen die Mücken und Ameisen pieksen.

Zum Glück gibt es Orte drinnen, wo sich die Kinder hineinschleichen können und dann in einem Bett ein bisschen ausruhen oder sogar schlafen können. Zum Beispiel hier im Museum. Man darf sich nur nicht erwischen lassen. Ein Trick ist zum Beispiel, einen Faden beim Eingang über der Schwelle zu spannen und von da durch den ganzen Raum hindurch an die Zehen zu binden. Sollte also jemand hereinkommen, zieht das am Faden und weckt das schlafende Kind, das sich grad noch verstecken kann. Nur bei Zaus gibt es ein Problem: Wenn der einmal schläft, könnte eine Kanone neben ihn losgehen und er schnarcht einfach weiter.

Piratenbibliothek

Huberta wird in der Piratenschule auch Wikiberta genannt, weil sie so viel weiss. Der Vergleich mit Wikipedia und Google findet sie allerdings sehr beleidigend, denn sie ist viel besser als Wikipedia und Google zusammen. Es geht ja nicht um die Frage, wer das Schiesspulver erfunden hat, oder wie lange der Rhein zwischen Schaffhausen und Kreuzlingen ist. Das kann jedes Kind herausfinden. Huberta hat Antworten auf viel kniffligere Fragen wie: Was mache ich, wenn ich gefesselt bin, mich aber dringend am Rücken kratzen müsste. Wie schleiche ich am leisesten auf einem Kiesweg? Wie finde ich heraus, ob jemand lügt oder die Wahrheit sagt? Huberta weiss fast alles!

Warum sie so viel weiss? Weil sie wahnsinnig viele Bücher gelesen hat! Richtige Bücher, aus Papier und mit gedruckten Bildern. In der Oberen Stube hat sie eine ganze Piratenbibliothek angelegt. Sie nennt die Bibliothek ihr «Oberstübli» – Huberta hat zwar einen kleinen Kopf, aber ein gewaltiges Gedächtnis.

Gut, Jeronimo der Freche behauptet, Huberta gehe nur dahin, weil auf dem Büchergestell eine kleine Schatzkiste mit Süssigkeiten versteckt ist. «Das stimmt nicht! Das ist gemein!», faucht Huberta zurück. Aber warum werden die Bonbons im Schatzkistchen immer weniger? Diese Frage beantwortet Huberta nicht.

Huberta fängt frische Fische

Die Piratenschule ist eine Ganztagesschule. Das heisst, dass da auch etwas gegessen werden muss. Für die Piratin Huberta, die ja eine Haubentaucherin ist, ist klar: da muss täglich frisch gefangener Fisch aufs Menü.

Sie hat leicht reden, weil sie einen langen Schnabel hat und seit sie aus dem Ei geschlüpft ist, Fische fängt. Für sie ist es einfach. Die Kinder der Piratenschule lernen mit einer Angel und einem Köder zu fischen. Aber das schwierigste beim Fischen ist Geduld zu haben. «Geduld haben» ist eines der Fächer, mit dem die Kinder in der Piratenschule grosse Mühe haben.

Wer schon versucht hat, im Untersee zu fischen, weiss, dass es da lange dauern kann, bis ein Fisch anbeisst – wenn überhaupt. Das ist im Kundelfingerhof anders: Ein bisschen Geduld braucht es auch hier, aber da im Teich so viele Fische sind, geht es schneller. Und in einem Punkt sind sich alle mit Huberta einig: Nichts geht über den feinen Geschmack eines frischen und selbst gefangenen Fischs.

Sackgasse

Unser Pirat Zaus ist auf etwas ganz besonders stolz: Auf seine sieben Geheimsprachen, die nur er alleine kennt. Und fliessend spricht. In der fünften Geheimsprache erzählt er den Kindern jetzt gerade davon, dass Huberta und er in der Piratenschule auch Sackgassen gelegt haben. «Nehmt euch in Acht, liebe Piratinnen, nicht jeder QR-Code bedeutet eine virtuelle Belohung», referiert Zaus und unterbricht: «Oh, ich glaube, jetzt ist gerade jemand in eine Sackgasse geraten.»

Zur Sicherheit hier noch etwas weniger kryptisch. Ja, du bist gemeint, kleiner Pirat, der gerade diesen Text liest. Der eingelesene Code führt nicht zur Belohnung. Es ist eine der Sackgassen, von denen Zaus spricht.